#bytevaria 23.02.2022

Bayern: Ein Testfeld für die Zukunft der Mobilität

Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf der Autobahn und Ihr GPS sagt Ihnen nicht nur, wann Sie abbiegen müssen und wie Sie Staus umfahren können, sondern auch, wann Sie die Spur wechseln beziehungsweise schneller oder langsamer fahren müssen. Durch das Live-Tracking werden Sie so umsichtig gelenkt, dass Unfälle vermieden werden. Da alle Fahrer um Sie herum von demselben System gesteuert werden, ist der Verkehr angenehm im Fluss; sowohl Staus als auch Unfälle werden drastisch reduziert. Klingt wie Science-Fiction? Nicht ganz. Auf dem Digitalen Testfeld auf der Autobahn A9 zwischen München und Nürnberg arbeiten Forscher bereits mit Vollgas an der Straße der Zukunft.

Providentia ++ nutzt 5G für eine digital erweiterte Autobahn

 

Das Konsortium, das hinter diesem Projekt steht, heißt Providentia++. Es handelt sich um eine echte Corss-Industry-Kollaboration mit der Technischen Universität München, Intel, Valeo (Automobilzulieferer), fortiss (bayerisches Forschungs- und Entwicklungsinstitut für softwareintensive Systeme), Elektrobit (Experte für Automobilsoftwarelösungen) und Cognition Factory (Start-up, das mit digitalen Zwillingslösungen arbeitet), sowie assoziierten Partnern wie 3D Mapping Solutions GmbH, Siemens Mobility oder Huawei.

"Providentia" ist ein Akronym für " Proaktive videobasierte Nutzung von Telekommunikationstechnologien in innovativen Autobahn-Szenarien". Providentia ist auch die römische Göttin der Vorsehung und Fürsorge - ein passender Name, wenn man bedenkt, dass die Vision des Projekts darin besteht, "Lösungen für sicheres, vernetztes Fahren auf digital erweiterten Straßen zu entwickeln".

  • TU München minus
  • Ein digitaler Zwilling ermöglicht effizienteres und sichereres Fahren

     

    Auf der derzeitigen 3,5 km langen Teststrecke, zu der auch eine autobahnnahe Strecke in einem eher städtischen Umfeld gehört, sammeln die Hochleistungssensoren von Providentia Verkehrsdaten in Echtzeit. Diese werden dann in einen digitalen Zwilling eingespeist, eine vollständige virtuelle Darstellung der tatsächlichen Verkehrsumgebung. Dieser digitale Zwilling simuliert den laufenden Verkehrsfluss, erkennt potenzielle Probleme und gibt den Fahrern über eine leistungsstarke 5G-Verbindung Warnungen und Ratschläge. Eine App, die auf diesem digitalen Zwilling basiert, wird den Fahrern in Echtzeit ein umfassendes Bild der Verkehrssituation vermitteln.

    Erprobung von autonomem Fahren und Platooning auf dem A9-Testgelände
     

    Providentia ++ ist nur eines von vielen Projekten, die auf dem 2015 eröffneten digitalen Testfeld auf der Autobahn A9 vor den Toren Münchens an den Start gehen. Viele andere Unternehmen und Forschungsgruppen führen hier Tests in so unterschiedlichen Bereichen wie autonomes Fahren oder Platooning durch. Beim Platooning werden LKWs über eine 5G-Verbindung miteinander verbunden, sodass sie eng beieinander fahren können – aufgrund des Windschattens wird der Kraftstoffverbrauch reduziert und der Fahrkomfort erhöht.

     

    Digitale Testfelder: Erfolgreich dank branchenübergreifender Zusammenarbeit

     

    Bayern hat eine lange Tradition als innovativer Automobilstandort. Daher ist es nicht verwunderlich, dass verschiedenste Teststrecken im Mobility-Bereich im Freistaat anzutreffen sind. In Ingolstadt zum Beispiel wird mit "5GoIng" an der Weiterentwicklung der automatisierten und vernetzten Mobilität auf der Basis der 5G-Technologie gearbeitet – erst kürzlich hat das Projekt eine Förderzusage des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) erhalten.

    Nach der Konzeptionsphase kann das Projekt in die Umsetzung gehen. Ausgangsbasis ist das städtische Testfeld für vernetztes und automatisiertes Fahren IN²Lab, welches das „Digitale Testfeld Autobahn“ an der A9 mit dem High-Tech-Hub IN-Campus verbindet.

    Auch bei diesem Projekt arbeitet ein branchenübergreifendes Team zusammen, darunter die Technische Hochschule Ingolstadt, das Fraunhofer Anwendungszentrum IVI, die ZERO GmbH, ein Start-up, das die dynamische Beleuchtungssteuerung entwickelt, sowie die LiangDao GmbH ein sino-deutsches Technologieunternehmen und Anbieter von LiDAR-Systemlösungen, gleichzeitig spezialisiert auf KI-basierte Echtzeitdatenverarbeitung für Verkehrsobjekterkennung und -Tracking für Smart City und Autonomes Fahren.
     

    München testet autonomes Fahren in städtischen und vorstädtischen Umgebungen

     

    Zwei Projekte in München, EASYRIDE und TEMPUS, bieten ebenfalls reale Testmöglichkeiten. EASYRIDE erforscht die Auswirkungen des autonomen Fahrens auf den Stadtverkehr und umfasst die Projektpartner Stadtwerke München, BMW Group, MAN Truck & Bus, mehrere Universitäten und weitere Fachpartner. Das 2021 gestartete Projekt TEMPUS dehnt die Testmöglichkeiten auf den Stadtrand von München aus. Dazu werden 22 Verkehrsknotenpunkte an den Bundesstraßen B13 und B471 in den Stadtrandgebieten von Unterschleißheim, Oberschleißheim, Garching-Hochbrück und Lohhof mit Modulen zur Datenübertragung ausgestattet. Diese werden die Ampeln so umschalten, dass eine "virtuelle grüne Welle" für autonome Fahrzeuge entsteht und der Verkehrsfluss verbessert wird.

    Andernorts konzentrieren sich die Testanlagen auf das autonome Fahren. So hat Argo AI, eines der weltweit führenden Unternehmen auf dem Gebiet der autonomen Fahrzeugtechnologie mit Sitz in Pittsburgh, USA, am Flughafen München gerade eine 55.000 Quadratmeter große Teststrecke eingeweiht. In der Stadt Kronach ist ein Projekt zur Erprobung des fahrerlosen Busverkehrs bereits im Einsatz.<

     

    Praxistest in Bayern validiert Mobilitätskonzepte


    Für neue Mobilitätskonzepte ist es entscheidend, dass diese in realen Umgebungen – wie in Bayern vorhanden – getestet werden können. Auch eine Kollaboration zwischen Hochschulen und Industrie, Start-ups und etablierten Akteuren sowie zwischen verschiedenen Branchen wie der Automobil- und Telekommunikationsindustrie wirkt sich befruchtend auf solche Cross-Industry-Innovationen aus.

    Fotos: © TU München